POPULISMUS IN EUROPA
WORAN WIR IHN ERKENNEN und WAS WIR DAGEGEN TUN - Am Beispiel dre 5-Sterne-Bewegung in Italien
SVENJA APPUHN, Grüne Jugend, SLU I SAMUELE SEGONI Alternativa Libera, Italienischer Parlamentsabgeordneter I Professor Dr. FILIPPO CATANI, Universität Florenz, MAIK BISCHOFF, Antikriegshaus Sievershausen I
ANNA-LENA OLDEHUS, Dolmetscherin I FRANZISKA WOLTERS, Moderatorin
Donald Trump ist Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. So weit so schlecht. Trump hat in seinen Wahlkampfreden Ängste angesprochen, sie kanalisiert und politisiert. Doch nicht nur jenseits des großen Teiches finden sich Politiker*innen, die popularitätsheischend auf Stimmenfang gehen, die vermeintliche Antworten auf komplexe Probleme bieten, Orientierung für eine scheinbar unsichere Zukunft schaffen und dabei die Gesellschaft polarisieren. Ukip, AfD, Front National sind nur einige Namen, die zeigen, dass populistische Parteien und Persönlichkeiten auch in Europa zunehmend an Zustimmung gewinnen. Mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 haben wir uns im Zehnten Forum Demokratie in Bewegung mit den Ursachen und Merkmalen des Populismus auseinandergesetzt. Der italienische Abgeordnete Samuele Segoni gab am Beispiel der Partei Cinque Stelle Einblicke in die Strukturen und Mechanismen einer populistischen Partei. Segoni, selbst ehemaliges Mitglied der Cinque Stelle, gehört zu einer Gruppe von Abgeordneten, die sich 2015, aus Protest am Politikstil der Partei, in der parlamentarischen Gruppierung „Alternativa Libera“ zusammen gefunden haben.
Gemeinsam mit unseren Gästen, Prof. Filippo Catani von der Universität Florenz, Svenja Appuhn von der Grünen Jugend und Maik Bischoff vom Antikriegshaus Sievershausen diskutierte das Publikum intensiv und leidenschaftlich die Fragen, was populistische Einstellungen für die Gestaltung der Demokratie bedeuten, woran wir populistische Argumentationen erkennen und wie wir ihnen begegnen können.
Franziska Wolters stellte zunächst die Arbeit des Teams Demokratie in Bewegung vor und verdeutlichte die aktuellen Aktivitäten des Teams. Dazu war in der Schwanenburg eine Ausstellung für über sieben Jahre Demokratie in Bewegung Hannover zu sehen. Das Publikum wurde in der Einführung auf den Weg durch diese sieben Jahre mitgenommen und es wurde verdeutlicht, was europäische Jugendkongresse und Künstlerworkshops, hannoversche Foren, internationale Netzwerkzusammenarbeit und regelmäßige hannoversche DIM-Team-Kooperation für die demokratische Praxis bewirkt haben. Die Rolle der Unterstützung durch die SLU, die Evangelische Stadtakademie, den VNB, PROTERRA und die Schwanenburg Hannover wurde dabei herausgestellt.
Samuele Segoni beschreibt zunächst als ehemaliges Gründungsmitglied aus dem Inneren der italienischen Partei Cinque Stelle um Beppe Grillo und Gianroberto Casaleggio die Entwicklung der der heutigen italienische populistischen Partei. Er verdeutlicht beeindruckend wie aus der ehemaligen innovativen politischen Basisbewegung, die auf digitale Kommunikation setzte, die die heutige populistische Partei geworden ist. Casaleggio lehrte die Repräsentanten der Partei einfache linguistische Vorschriften für den Bauch und nicht für den Kopf. Die vielfältigen Ideale der Repräsentanten wurden durch autoritäre Teammanager um den exklusiven Führungskreis Grillos vereinfacht, kommerzialisiert und führungsbezogen definiert. So wurde aus einer horizontalen, bürgernahen Partizipationsbewegung die populistische Partei von heute.
Gegen die autoritäre Entwicklung der Cinque Stelle weg von den anfänglichen Idealen stellte Samuele Segoni die Neugründung der „Alternativa Libera“, einer Partei aus ehemaligen Parlamentariern der Cinque Stelle im römischen Parlament, die auf einem horizontalen, partizipativen, nicht-populistischen und transparenten Charakter der Politik beharren. Diese Partei setzt gegen die 5-Sterne im italienischen Parlament ein Bottom-Up-Prinzip ohne Führung, mit Kopf und Herz, eine „Zirkulare Demokratie“.
Samuele Segoni und seine wachsende Partei der Basisdemokraten der Alternativa Libera setzen gegen die 5-Sterne-Partei Grillos, die hohe 36% bei den letzten Parlamentswahlen in Italien erhielten, eine Strategie, die horizontale Demokratie ohne autoritäre Führung und ein Maximum an Dialog und Diskussion anstrebt.
Welche politischen Schlussfolgerungen können aus dem Weg der 5-Sterne hin zum Populismus gezogen werden und welche Wege führen heraus aus der rechtspopulistischen Beeinträchtigung der Gesellschaft?
Die Diskussion dazu erbringt Folgendes:
Die besten Mittel gegen den Populismus seien kritische Fragen. Persönliche Treffen schaffen statt digitaler Einsamkeit! Auf diesen kurzen Nenner lassen sich viele Diskussionsbeiträge der Experten und des rege diskutierenden Publikums, darunter viele italienischen Bürger/innen bringen. Politische Veranstaltungen, Bürgerdialoge und Diskussionen auf allen Ebenen ermöglichten vielfältige Diskurse und bauten politisches Denken auf. Das könnte sehr effektiv sein! Daneben gehe es vor allem darum, dass junge Menschen dazu beitragen, politische Perspektiven auszusprechen. Dazu gehöre auch der Aspekt wie in Italien, dass viele junge Leute in den politischen Parteien und politisch orientierten Vereinen aktiv würden.
Kunst könnte ein Mittel sein, um politische Kompetenz aufzubauen, weil sie an das Gefühl, an Ästhetik, Kreativität und komplexere Sichtweisen appelliere und somit politische Veränderungen einleiten könne. Somit sei, sagt Filippo Catani, die Verknüpfung von Kunst und Politik, wie sie in den Artivism Drives Democracy Projekten bei uns liefen, ein sehr effektiver Weg vom vereinfachenden Populismus weg, hin zur komplexeren inneren Auseinandersetzung mit den drängenden Zeitfragen.
Viele Diskussionsbeiträge bestärkten, dass es sich lohne, die europäischen Gedanken überall zu stärken. Daher sei auch der Gedankenaustausch zwischen den italienischen und deutschen politischen Entwicklungen essenziell.
Ein sehr intensives Forum mit einem sehr engagierten Publikum!