PARTNERSHIP BUILDING ACTIVITY / PBA
Democracy in Motion Jugendkongress in Georgien
1. Ziel
Ziel der Partnership Building Activity in Georgien war die Identifikation und Entwicklung einer weiterführenden Kooperation der in sozialen Transformationsprozessen aktiven Delegationen (Organisationen, Gruppen und Bewegungen) hinsichtlich neuer innovativer und gewaltfreier Aktivitäten.
In diesem Rahmen sollten
– nationale und regionale Herausforderungen, Bedürfnisse und Forderungen der Delegationen analysiert und ausgetauscht werden,
– die gemeinsamen und organisations-/gruppenspezifischen Ressourcen (Human Resources, operative Kapazitäten, Know-How, u.a.) identifiziert werden und
– Möglichkeiten für die Bildung von Partnerschaften und die Entwicklung von Projekten untersucht werden.
2. Kurzer Ablauf
Die PBA bestand aus zwei inhaltlichen Blöcken. Täglich fanden vier Workshops à 90 Minuten statt. Der erste Block diente dem gemeinsamen Kennenlernen. Hier wurden Ideen und Werte in der Gruppe ausgetauscht und der theoretische Zugang zu Gewaltlosigkeit und sozialer Transformation geschaffen bzw. erweitert. Der zweite Block zielte vielmehr darauf ab, die Bedürfnisse unserer unterschiedlichen gesellschaftlichen Realitäten zu bestimmen, auszutauschen und praktisch an ihnen zu arbeiten: Welche Zukunftsvisionen haben wir und wie können wir diese durch die Entwicklung von (gemeinsamen) Projekten erreichen?
3. Allgemeine Einschätzung
Die PBA kann rückblickend auf zwei Ebenen betrachtet werden. Die PBA wurde in erster Linie von ihrer Vielfalt an politischen Aktivist*innen und deren persönlichen Inputs getragen. Die kurze, jedoch intensive und teils sehr emotionale Kennlernphase (z.B. der sehr persönliche Bericht der Ukrainer*innen über die Entwicklungen in ihrem Land, ihre Herausforderungen, Ängste und ihren Mut) schuf von Beginn an eine Arbeits- und zwischenmenschliche Atmosphäre, die von horizontalen, Konsens-orientierten und anti-autoritären Werten geprägt war. Über die Workshops hinaus bestand ein tiefgehender interkultureller Austausch, der sich in vielen Gesprächen bemerkbar machte und Verständnis, Toleranz und Nähe innerhalb der Gruppe förderte. Wichtig war außerdem, dass die Organisatoren sich anti-hierarchisch in die Gruppe integrierten und auf gleiche Weise wie die Teilnehmer_innen ihre Gedanken und Ideen mit der Gruppe teilten. Die Abende waren grundsätzlich frei und wurden durch individuelle Beiträge gestaltet (kultureller Abend, Dokumentation zu Israel und Siedlungen, Vergleich Geschichte/Revolutionen Georgien und Ukraine, informelle Gespräche). Ein gemeinsamer Tagesausflug nach Tbilis mit einem abschließenden traditionellen georgischen Abendessen trug zu dieser guten Gruppendynamik bei.
Die zweite „professionelle“ Ebene bildeten die Workshops. In der Kennlernphase des ersten Blocks wurde über den Austausch unserer Ideen, Werte und Motivationen (und der unserer Organisationen/Gruppen/Bewegungen) ein Grundstock für die weitere Zusammenarbeit innerhalb der PBA und darüber hinaus gelegt. Trotz der unterschiedlichen politischen Kontexte der Delegationen wurde deutlich, dass unsere Visionen sehr ähnlich sind und viel Potential für eine Zusammenarbeit besteht. Theoretisch wurden diese subjektiven Vorstellungen durch Input-Vorträge zu „Holistic and Strategic Nonviolence“, „Theory of Change“, „Building Power“ und „Intelligent Groups“ ergänzt. Diese gaben den Aktivitäten der eigenen Delegation ein theoretisches Fundament, welches in den Präsentationen der Organisationen/Bewegungen/Gruppen eingebunden wurde. Darauf aufbauend und nach einem Input in „Strategic Planning“ und „Fundraising“ wurden im zweiten Block die regionalen und nationalen Realitäten in den Fokus genommen, vorgestellt und in der Gruppe diskutiert, um Ansatzpunkt für gewaltfreie Aktionen und potentielle Kooperationen zu identifizieren. Es bildeten sich drei Gruppen, die an zwei Tagen neue Projekte entwickelten bzw. bestehende Projekte vernetzten:
– „Capacity Building and Mobilisation in Nonviolent Action“ (CABM)/ Belarus (u.a. Svenja, Nur)
– „Ukraine 3.0“: Creating an alternative movement for young people using nonviolent action/ Gewaltfreie Aktionen im Kontext der Maidan-Proteste (u.a. Sara)
– „Solidarity in the Air“/ Italien, Frankreich: Kooperation zwischen Italien (No Mous) und Frankreich (Aktion gegen den Flughafen in Nante): Gemeinsamkeit Großprojekte ohne Beteiligung der (Zivil-) Gesellschaft
Bei der Planung orientierten wir uns an dem „Impact-Chain“-Modell, welches ein besonderes Augenmerk auf „Activities“, „Outputs“, „Outcomes“ und „Impact“ legt. So gelang es uns potentielle Projekte für gewaltfreie Aktivitäten zu entwickeln und erste Handlungsschritte zu definieren, indem u.a. auch mögliche Ressourcen und Finanzierungsmöglichkeiten diskutiert wurden. Der Workshop wurde schließlich mit einem Gruppen-Feedback über die durchgeführten Tätigkeiten, die/das erworbene/n Fähigkeiten/Wissen und die erreichten Ziele, sowie mit der Artikulation der zukünftigen Ziele um gewaltfreie Aktion für den sozialen Wandel abgeschlossen.
Die Qualität des Kongresses hat sich im zweiten Block im Hinblick auf tiefergehende Diskussionen im Vergleich zum ersten Block verbessert. Im ersten Block ging die intensivere Auseinandersetzung mit bestimmten Themen im Rahmen des Workshops (evtl. bedingt durch die begrenzte Zeit/ den Ablauf) ein wenig unter. In der Gruppenarbeitsphase der letzten zwei Tage wurden jedoch durch die Anwendung des Gelernten und die Einordnung der regionalen und nationalen Herausforderungen und Best Practices praktische Impulse für das eigene Engagement und das der Organisationen/Gruppen/Bewegungen gegeben.
4. Einschätzung der kaukasischen/osteuropäischen Delegationen
Armenien:
Aus Armenien war nur Nelli Gishyan anwesend. Sie ist Repräsentantin der „No Hate Speech“, einer Internet-Kampagne des Europarates, und der „World Independent Youth Union“ aus Yerevan. Nelli ist sehr vertraut mit EU-Anträgen und Fundraising.
Belarus:
Aus Belarus kamen Vasil Sankovich (BHC) und Vasil Siniuchin (Green Network). Aufgrund des diktatorischen Kontexts ihres Landes stellt sich für die beiden eher die Frage nach einem freiheitlichen, antidiktatorischen und demokratischen Diskurs und nicht explizit nach Demokratieformen wie horizontale oder Konsens-orientierte Prozesse. In ihrem Land sehen sie sich noch mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert. So sind durch die Diktatur in Bezug auf Demokratie noch viel existentiellere Hürden zu nehmen.
Ukraine:
Die Ukrainer_innen von „OPORA“ (Inna Kirchyk, Taras Prokop, Grygorii Sorochan) haben sich sehr stark präsentiert. So sind alle drei Aktivist_innen in der Stadt/Region Chernivtsi. Vor allem Taras und Grygorii arbeiten maßgeblich an den gewaltfreien Aktionen vor Ort mit und sind oft bei den Maidan-Protesten in Kiew gewesen. Grygorii war zur Zeit der Orangenen Revolution bereits aktiv. Beide haben viel Erfahrung mit der praktischen Umsetzung von innovativen und gewaltfreien Aktionen und sind sehr gut in der Ukraine vernetzt. Sie würden sich gut als Gäste für das Forum in Hannover anbieten.
Georgien:
Aus der georgischen Delegation war nur Tami Teliashvili als „richtige“ Teilnehmerin dabei. Sie arbeitet für die „Civic Initiatives Association“ und ist sehr fit in der Projektplanung/im Fundraising. Ergänzend wirkte das georgische Organisationsteam mit Giorgi Kakulia, George Bukia und Isra Peralta theoretisch (z.B. „Power with/Power over“) sowie praktisch (z.B. Strategic Planning, Fundraising) sehr fundiert.
Es war zu spüren, dass die verhältnisweise noch nicht sehr lang zurück liegende Rosenrevolution sowie die kriegerischen Konflikte mit Russland den gesellschaftspolitischen Diskurs in Georgien prägen. Der Kampf gegen Korruption und die alte Politiker-Riege scheint ein bis heute kraftaufreibender Akt für das Land. Zudem ist der Konflikt mit Russland gegenwärtig – die Anstrengungen das Land, seine Kultur und seine Minderheiten in der Kaukasus-Region zu behaupten waren fühlbar. Zudem wurde öfter über die sogenannten „IDP’s“ („Internally displaced people“) aus Abchasien und Süd Ossetien und ihre schlechten Lebensbedingungen und der politische Umgang mit ihnen gesprochen.
Rumänien:
Bianca Ceske und Taisia Istratii (Moldau) repräsentierten die Organisation „PATRIR“, Hanna Ugron vertrat „Cluj-Napoca European Youth Capital 2015“. Bianca war „facilitator“ und gab während der Workshops mehrere Input-Vorträge. Sie ist u.a. in Peace and Conflict spezialisiert und auch sehr mit der sowjetischen/ post-sowjetischen Geschichte und den Konflikten Südost-/Osteuropas vertraut. Bianca ist zudem eine starke Verfechterin horizontaler und Konsens-orientierter Demokratiepraxis. Allerdings nimmt sie durch ihre teils sehr energische und laute Art viel Raum ein. Hanna und Taisia haben die Gruppe durch ihre empathische und offene Art gut ergänzt. Sie kennen sich zudem in Projektarbeit aus und haben schon öfter an Jugendkongressen teilgenommen.
5. Ergebnisse und Perspektiven
Die gemeinsame Woche der PBA hat vor allem dazu beigetragen, unterschiedliche Realitäten und Kontexte zu betrachten und zu diskutieren und sie mit der Entwicklung von innovativen und gewaltfreien Aktionen zu verknüpfen. Die Basis der gemeinsamen Arbeit waren horizontale und Konsens-orientierte Arbeitsprozesse, die im Kleinen sehr gut praktiziert wurden. Dabei wurden die theoretischen Kenntnisse in Bezug auf gewaltfreie Aktion und strategisches Planen zum einen erweitert und zum anderen praktisch angewendet. Die PBA hat sicherlich den Blick geweitet und dazu beigetragen, dass neue Freundschaften mit Potential für weiterführende wichtige Partnerschaften innerhalb des DIM-Netzwerks entstanden sind. Auch wenn nicht alle Organisationen/Gruppen/Bewegungen explizit in gleicher Weise an Ideen wie horizontale und Konsens-orientierte Demokratieformen arbeiten, sind dennoch potentielle Synergien offengelegt worden (z.B. mit dem Team Ukraine), die zu einer gemeinsamen Arbeit an diesen Ideen über eine Weiterführung im DIM-Netzwerk führen kann.
Veranstalter: Youth For The World, Georgien
Teilnehmende aus Armenien, Belarus, Deutschland, Frankreich, Georgien, Italien, Spanien, Ukraine
Teilnehmende aus Deutschland von PROTERRA: Nur, Sara, Svenja
6. Teilnehmende Gruppen im Detail
Bekannte Gruppen:
– Tbilisi/ Georgien: Youth for the World
– Barcelona/ Spanien: NOVA – Centre d’Innovació Social
– Paris/ Frankreich: Mouvement pour une Alternative Non-violente
– Rom/ Italien: Un Ponte Per
Neue Gruppen:
– Yerevan/ Armenien: World Independent Youth Union/ No Hate Speech Movement gefördert durch den Europarat http://www.nohatespeechmovement.org/
– Minsk/ Belarus: Belarusian Helsinki Committee http://belhelcom.org/en/node/12366 und Green Network Belarus http://greenbelarus.info/rus/ (nur auf Russisch)
– Cluj-Napoca/ Rumänien: Peace Action, Training and Research Institute of Romania PATRIR und CLUJ-NAPOCA for European Youth Capital! http://www.cluj2015.ro/english
– Chernivtsi/ Ukraine: Chernivtsi regional organization of OPORA
Sara Opitz / PROTERRA