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Neue Konzepte für die Welt

BUEN VIVIR

Mi.., 15 Oktober 2025

BUEN VIVIR:

Die Welt aus der Perspektive des Buen Vivir überdenken

Alberto Acosta

WILDDRAWING MURALS DES KALI ZOI auf Naxos / Griechenland

WILD DRAWINGS AUF NAXOS

MURALS DES KALI ZOI

 

Alberto Acosta ist ecuadorianischer Wirtschaftswissenschaftler, Forscher der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften FLACSO-Ecuador. Außerdem war er Minister für Energie und Bergbau, Vorsitzender der verfassungsgebenden Versammlung und Präsidentschaftskandidat der Republik Ecuador. 

Bei PROTERRA in Hannover arbeiten wir mit Beispielen aus Lateinamerika BUEN VIVIR, aus Finnland HYVÄ ELÄMÄ, aus Griechenland ΚΑΛΗ ΖΩΗ I KALI ZOI an einem neuen gesellschaftlichen Rahmen für die europäische politische und wirtschaftliche Praxis. Vom BUEN VIVIR gehen wir dabei aus. Alberto Acosta beschreibt es kurz so:

Letztendlich ist Buen Vivir eine hoch subversive Erfahrung, die keineswegs eine Einladung zur Rückkehr in die Vergangenheit oder in eine idyllische, im Übrigen gar nicht existierende Welt ist. Es darf auch nicht zu einer Art Religion mit eigenen Geboten, Vorschriften und Ämtern ‒ inklusive der politischen ‒ werden. Unter Buen Vivir können wir uns vorstellen: ein Leben des Menschen in Harmonie mit sich selbst, mit seinen Mitmenschen in der Gemeinschaft, der Gemeinschaft untereinander und zwischen Mensch und Natur. 

Nun ausführlich zum BUEN VIVIR:

Buen Vivir ‒ Das Gute Leben wurde von Anfang an als plurales Konzept verstanden, nämlich als Buenos Convivires: als verschiedene Arten des guten Zusammenlebens. Denn es geht nicht darum, die Tore für ein einziges, homogenes, nicht realisierbares gutes Leben zu öffnen, sondern vielmehr um das gute Miteinander-Leben von Menschen in einer Gemeinschaft, von verschiedenen Gemeinschaften und von Individuen und Gemeinschaften einerseits und der Natur andererseits.

Das gute Leben muss als Kategorie verstanden werden, die sich im ständigen Konstruktions- und Reproduktionsprozess befindet. Es ist kein statisches und erst recht kein rückständiges Konzept. Buen Vivir ist eine zentrale Kategorie in der Lebensphilosophie vieler Gesellschaften. Aus dieser Perspektive wird sie zu einem Lebensentwurf, der globales Potenzial hat, obwohl er in der Geschichte marginalisiert wurde.

Zunächst ist festzuhalten, dass in einigen indigenen Wissenswelten keine analoge Vorstellung zum westlichen „modernen“ Konzept der Entwicklung existiert. Dann gibt es keine Wahrnehmung von einem linearen Lebensprozess, in dem ein vorheriger und ein späterer Zustand – die „Unterentwicklung“ und später dann die „Entwicklung“ – bestimmt werden. Die durch Akkumulation von und Mangel an materiellen Gütern bestimmten Konzepte des Reichtums und der Armut gibt es ebenfalls nicht.

Somit bringt Buen Vivir eine Weltanschauung mit sich, die sich von der westlichen insofern unterscheidet, als dass sie gemeinschaftliche, nicht kapitalistische Wurzeln hat. Sie bricht sowohl mit der anthropozentrischen Logik des Kapitalismus als dominanter Zivilisation als auch mit verschiedenen bisherigen Ausprägungen des Sozialismus. Letztere müssen aus einer sozio-biozentrischen Position neu gedacht werden und lassen sich nicht allein durch einen Namenswechsel aktualisieren.

Das gute Leben bringt eine dekolonialisierende Aufgabe mit sich, die zudem depatriarchalisierend sein sollte (vgl. Kothari u. a. 2015). Um das zu erreichen, braucht es einen tiefgreifenden Prozess der intellektuellen Dekolonialisierung auf der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Ebene.

Letztendlich ist Buen Vivir eine hoch subversive Erfahrung, die keineswegs eine Einladung zur Rückkehr in die Vergangenheit oder in eine idyllische, im Übrigen gar nicht existierende Welt ist. Es darf auch nicht zu einer Art Religion mit eigenen Geboten, Vorschriften und Ämtern ‒ inklusive der politischen ‒ werden. Unter Buen Vivir können wir uns vorstellen: ein Leben des Menschen in Harmonie mit sich selbst, mit seinen Mitmenschen in der Gemeinschaft, der Gemeinschaft untereinander und zwischen Mensch und Natur.“

Das BUEN VIVIR weiterzuentwickeln bedarf der Berücksichtigung der skizzenhaften Überlegungen von David Graeber, die 5 Jahre nach seinem Tod in dem Buch die DIE ULTIMATIVE HEIMLICHE WAHRHEIT DER WELT 2025 veröffentlicht worden sind. Er bringt wunderbare Gedanken für die Einschätzung und Umgestaltung der Welt auf den Punkt. So gibt er auf Seite 321 im Kapitel „Der Aufstand der betreuenden Klasse“ folgende Einschätzung für einen künftigen Weg, der an das BUEN VIVIR, das KALI ZOI anknüpft:

Ein wesentlicher Aspekt der umzugestaltenden kapitalistischen Gesellschaft ist die betreuende Tätigkeit. Hierbei geht es „um das Schaffen und Aufrechterhalten von Beziehungen, um die Ablehnung des patriarchalischen Ideals der Autonomie zugunsten eines Akzeptierens von Interdependenz, zugleich aber auch um eine Ablehnung der bloß >empathischen< Projektion des Ichs auf andere; es ist eher eine zurückhaltende Offenheit für die Realität anderer Menschen, für ihre Bedürfnisse und Wünsche.“
Hier und auf den Seiten 322/23 skizziert David Graeber Elemente einer grundsätzlichen, menschlichen und naturgerechten Wirtschafts- und Lebensweise. Das hat „in jeder Hinsicht potentiell revolutionäre Folgen.“

 

Alberto Acosta

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