Politische Beteiligungsinitiative / Democracy in Motion / PROTERRA
BÜRGERBETEILIGUNGSKONZEPT HANNOVER
Di., 31 März 2020Bürgerbeteiligungskonzept Hannover
Präambel
Die Landeshauptstadt Hannover hat seit den siebziger Jahren große Erfahrung mit effektiver Bürgerbeteiligung. Demokratie ist aber in ständiger Bewegung. Die Beteiligung aller Einwohnerinnen und Einwohner soll zukünftig ein selbstverständlicher Teil der politischen Meinungs- und Entscheidungsfindung sein. Dazu fehlt bisher ein Rahmen, der die Zivilgesellschaft und die Einwohnerinnen und Einwohner eng mit den Entscheidungsgremien der Stadt und der Bezirke verknüpft.
Demokratische kommunale Beteiligungsprozesse brauchen Zeit und Raum. Nur über etwas, was gehört, verstanden und bedacht wurde, können Menschen sich austauschen und dazu verantwortlich Ja oder Nein sagen. Um eine möglichst vielfältige Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner zu gewährleisten, bedarf es neben klaren Regeln einer vertrauensvollen Atmosphäre und einer entsprechenden Haltung aller Beteiligten:
Für das Gelingen des Prozesses tragen alle Beteiligten gemeinsam die Verantwortung. Damit sich auch bei unterschiedlichen Interessen eine vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickeln kann, verständigen sich die Akteure auf einen Umgang auf „Augenhöhe“, das heißt Wertschätzung, Akzeptanz, Offenheit, Toleranz und Fairness. Die Abwägung im Sinne des Gemeinwohls, unterschiedliche Überzeugungen und die Diskussion von Handlungsalternativen sind kontinuierlich Gegenstand von Beteiligungsprozessen. In allen Phasen achten die Beteiligten darauf, dass die Ergebnisse von allen respektiert werden, um auf einer gemeinsamen Basis weiterarbeiten zu können.
Die hier dargelegten Grundsätze sind bindend für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung bei der Entscheidung, der systematischen Planung, Durchführung, Auswertung und Dokumentation von Bürgerbeteiligungsverfahren. Sie bieten Orientierung für den Rat und die Öffentlichkeit sowie eine Anleitung, damit für jedes einzelne Verfahren ein individuelles Konzept entwickelt werden kann.
Ziel sind bestmögliche, für möglichst viele Einwohnerinnen und Einwohner akzeptable Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls.
Grundsätze der Bürgerbeteiligung
Frühzeitige Information
Die Einwohnerinnen und Einwohner von Hannover werden zu einem Zeitpunkt in kommunale Meinungsbildung und Entscheidungsprozesse einbezogen, zu dem die wesentlichen Weichen noch nicht gestellt sind und noch Gestaltungsmöglichkeiten bestehen.
Konzept für Beteiligung
Für jeden Beteiligungsprozess wird ein Konzept erstellt. Es enthält bestehende Festlegungen und zeigt die Gestaltungsmöglichkeiten der Einwohnerinnen und Einwohner auf: Wer kann sich wie beteiligen, wer moderiert und wie sehen die Prozessphasen aus?
Zielsetzung und Ergebnisoffenheit
Zu Beginn werden der Beteiligungsgegenstand, die Ziele des Beteiligungsprozesses sowie die Rahmenbedingungen formuliert. Es wird aufgezeigt, welche Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume vorhanden sind und welche Vorfestlegungen bereits getroffen wurden. Im Rahmen dieser Vorgaben ist das Ergebnis des Beteiligungsprozesses offen.
Transparente Prozessgestaltung
Alle wesentlichen Informationen werden den beteiligten Akteuren, dem Stadtrat und der Öffentlichkeit übersichtlich, nachvollziehbar und in bürgerfreundlicher Sprache übermittelt und regelmäßig aktualisiert.
Wer wird beteiligt – und wie?
Im Beteiligungskonzept wird festgelegt, welche Bevölkerungsgruppen und Akteure insbesondere eingeladen werden sollen, wie zum Beispiel direkt Betroffene, Interessenvertretungen, mögliche Konfliktpartner, betroffene Bereiche der Verwaltung.
Bevölkerungsgruppen, die bisher wenig für Beteiligungsprozesse gewonnen werden konnten, sollen besonders angesprochen werden. Die Rolle von künftig Betroffenen wird ebenfalls berücksichtigt.
Umgang mit den Ergebnissen
Die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung stellen Empfehlungen oder Entscheidungsgrundlagen dar. Der Umgang damit durch Stadtrat und Verwaltung wird transparent und nachvollziehbar dokumentiert.
Dokumentation und Evaluation
Es findet eine kontinuierliche, prozessbegleitende Auswertung, Dokumentation und Reflexion der Beteiligungsprozesse statt. Beteiligungsprozesse werden auf diese Weise optimiert und an Veränderungen angepasst.
Kontrolle bei der Durchführung von Vorhaben
Der Beteiligungsrat hat die Möglichkeit, auf Eigeninitiative oder Veranlassung der Einwohner*innen die Durchführung der unter Bürgerbeteiligung zustande gekommenen Vorhaben zu kontrollieren. Er hat ein uneingeschränktes Informationsrecht.
Der Beteiligungsrat Hannover
Der Beteiligungsrat Hannover versteht sich als politische Beteiligungsinstanz der Einwohnerinnen und Einwohner. Er entwickelt wirksame Lösungsvorschläge. Diese sollen die politischen Entscheidungen auf einer breiten Basis nachhaltiger machen. Er wirkt auch auf eine strukturierte Beteiligung in den Stadtteilen hin (Stadtteilkonferenzen, Stadtteilforen). Der Beteiligungsrat kann auf Fachleute („Bürgeranwälte“) zurückgreifen.
Der Beteiligungsrat Hannover besteht aus 20-25 per „qualifizierter Zufallsauswahl“ eingeladenen Einwohnerinnen und Einwohner ab 16 Jahren. Externe Expertinnen und Experten (Bürgeranwälte) werden themenbezogen hinzugezogen. Die/der Beauftragte für Einwohner*innen-Beteiligung der Stadt wird zu wichtigen Beratungen eingeladen. Der Beteiligungsrat ist ein reines Gremium der Einwohnerinnen und Einwohner, welches für 3 Jahre ernannt wird.
Eine Aufwandsentschädigung für die Mitglieder des Beteiligungsrates ist vorgesehen.
Dem Beteiligungsrat werden die erforderlichen finanziellen und räumlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt. Dazu gehört eine mit Personal und Sachmitteln ausgestattete Geschäftsstelle, die zentral und bürgernah angesiedelt ist.
Die Stadtverwaltung erstellt zur Beratung für den Beteiligungsrat eine Liste der Vorhaben mit einer Charakterisierung der Art der politischen Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner in Hannover. Diese Liste wird regelmäßig aktualisiert.
Darüber hinaus führt der Beteiligungsrat halbjährig eine gemeinsame Aus- und Bewertung von Beteiligungsprozessen durch. Diese dient der Evaluation auf Grundlage der Grundsätze, der Herstellung von Transparenz, gibt Empfehlungen zur Weiterentwicklung und beteiligt sich an einer dem Beteiligungsrat zugeordneten Ombudsstelle zur Lösung von Streitfragen zu den Beteiligungsprozessen.
Der Beteiligungsrat
– überprüft die Dokumentationspflicht bei den Vorhaben mit politischer Beteiligung
– definiert die erforderlichen Beteiligungsrechte
– schlägt erforderliche Ergänzungen der Grundsätze vor
– übt eine Kontrolle der Entscheidungen bei langfristigen Vorhaben über den gesamten Zeitraum aus
– kooperiert mit den Stadtteilforen und Stadtteilinitiativen
– hilft bei der Einrichtung von neuen Stadtteilforen und Stadtteilkonferenzen
PROTERRA 31. März 2020