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Democracy in Motion

HANNAH ARENDT – POLITIK, ÖFFENTLICHKEIT, KULTUR

So., 01 März 2020

Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Politik, Kultur und dem Handeln, Anfangen und Herstellen in der Gesellschaft nach HANNAH ARENDT?

 

Alle menschlichen Tätigkeiten sind bedingt durch die Tatsache, dass Menschen zusammen leben, aber nur das Handeln ist nicht einmal vorstellbar außerhalb der Gesellschaft der Menschen. Die Tätigkeit des Arbeitens als solche bedarf nicht der Gegenwart anderer Menschen. Handeln allein ist das ausschließliche Vorrecht des Menschen. Die menschliche Fähigkeit für politische Organisationen mit den Tätigkeiten des Sprechens und Handelns steht nach griechischem Denken im Gegensatz zu den Notwendigkeiten des naturhaften Zusammenlebens in Haushalt und Familie. Aristoteles‘ Bestimmung des Menschen als eines politischen Wesens beruhte auf Erfahrungen des Redens und Argumentierens außerhalb des natürlichen Bereichs menschlichen Zusammenlebens in der Familie, also in der Tätigkeit des Menschen als Teil der Demokratie als Lebensform beim öffentlichen politischen Handeln. Aristoteles lag eine Definition des Menschen als politisches Wesen fern, denn als höchste menschliche Fähigkeit sah er die Kontemplation im Sinne forschender Aktivität. Der Mensch ist nach Aristoteles auf die Glückseligkeit angelegt. Diese erfordert einerseits politisches Handeln, nämlich den Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft nachzukommen, also Gemeinwohl orientiert zu handeln. Auf der anderen Seite darf der Mensch, wenn er glücklich werden möchte, sein Ziel in der Kontemplation nicht aus den Augen verlieren. Damit spielt die Politik für den Menschen eine zentrale Rolle für das Glück und auch die Freiheit. Denn der Sinn von Politik ist Freiheit und an das Handeln gebunden.

Handeln gehört zur Politik und Handeln ist wesentlich mit dem Anfangen verbunden. Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Jeder Neubeginn bricht unerwartet und unberechenbar in die Welt. Im Grunde mutet jedes Ereignis dann wie ein Wunder an. Jeder neue Anfang wird zum Wunder, wenn er gesehen und erfahren wird vom Standpunkt der Prozesse, die er notwendigerweise unterbricht. Wenn wir als Bürger*innen in Hannover im Augenblick einen neuen Anfang in der Beteiligungspolitik machen, uns zusammenschließen und politische Prozesse in Gang setzen, dann erleben wir in unserem politischen Handeln, im Neuanfang de facto Glücksgefühle und ein Ereignis-Wunder, wenn wir erleben wie unser Beteiligungsrat Wirklichkeit wird. Und dieses Freisein, diese Neuanfänge, dieses Glücklich sein, das gibt es so nur in der Demokratie¹.
¹ Gedanken nach Hannah Arendt (1994): Mensch und Politik. Reclam.

Und wie stehen Kunst und Kultur zur Politik?

Die Künstler*innen, die POIETAI, sind schöpferisch tätig und deren Werke dienen dazu, die öffentliche Welt zu bilden und zu schmücken, in der sich das politische Leben abspielt.

Alle Kultur fängt mit dem Weltschaffen, dem Herstellen einer Welt der Dinge an, das aristotelisch gesprochen bereits ein athanatizein, ein Unsterblich machen ist. Und außerhalb einer solchen Welt, also außerhalb dessen, was wir Kultur im weitesten Sinnen nennen, ist Handeln, also Politik, vielleicht nicht unmöglich, aber es würde keine Spuren hinterlassen; keine Geschichte und keine „tausend Steine würden redend zeugen, die man aus dem Schoß der Erde gräbt.“ (Zitat aus Schiller: Gedicht an die Freunde).

In dieser Welt der hergestellten Dinge sind wir gewohnt, zwischen Gebrauchsobjekten und Kunst-werken zu unterscheiden. Beide haben gemeinsam, dass sie nicht in der Natur, sondern nur in der von Menschen hergestellten Welt vorkommen und dass ihnen eine gewisse Beständigkeit eigen ist, die von der Dauerhaftigkeit des gewöhnlichen Gebrauchsgegenstandes bis hin zu der möglichen Unsterblichkeit des Kunstwerkes reicht.

Als solche unterscheiden sich die Gebrauchsdinge und Kunstwerke von den Konsumgütern, deren Lebensdauer in der Welt kaum die Zeit überdauert, die notwendig war, sie zuzubereiten.

Die Kunstwerke und Kulturgegenstände, die ebenso wie die Gebrauchsgegenstände hergestellt werden, unterscheiden sich nun von den Produkten der Politik, die durch politisches Handeln entstehen: den Ereignissen, den Taten, den Worten und schließlich den sich aus ihnen ergebenden Geschichten.

Kultur und Politik sind aufeinander angewiesen. Sie haben gemeinsam, dass sie Phänomene der öffentlichen Welt sind. Der Künstler muss, um seine gestalteten Dinge der Welt immer neu hinzufügen zu können, sich von der Öffentlichkeit isolieren. Während die eigentlich politischen Tätigkeiten, das Handeln und Sprechen, überhaupt nicht vollziehbar sind ohne die Präsenz der anderen und die Öffentlichkeit eines durch die Vielen konstituierten Raumes².

¹ Gedanken nach Hannah Arendt (1994): Mensch und Politik. Reclam.

² Gedanken aus Hannah Arendt – Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I“. Auf Seite 277-304 in Kapitel 10 schreibt sie ihre Gedanken zu „Kultur und Politik“ auf.

Klaus Windolph / Januar 2020

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