PROTERRA
INTERNATIONALER CLUB GERDA FREISE
Di., 10 März 2020PROTERRA INTERNATIONALER CLUB GERDA FREISE
Gerda Freise war unsere bildungswissenschaftliche Mentorin, politische Wegbegleiterin, Partnerin beim Geographentag 1991 in Basel, Ratgeberin in Gesprächen mit meinen Schüler*innen und Freundin. Sie gab dem PROTERRA – Club junger Mitglieder den Namen „Internationaler Club Gerda Freise“. Gerda Freise gab uns die Idee, unsere Bildungsarbeit bei PROTERRA unter das Motto Natur, Kultur und Gesellschaft zu stellen. Sie begleitete uns 20 Jahre. Sie starb am 11. Juli 2007, also vor fast 13 Jahren. Wir möchten hier an sie erinnern.
Nur ein kleines Beispiel dafür, wie Gerda Freise noch im hohen Alter in Göttingen präsent war:
Gerda Freise: Über die Notwendigkeit, einseitige Betrachtungsweisen im Israel-Palästina-Konflikt aufzugeben. Göttingen, den 15.12.2002 Gerda Freise
>>Jeder politisch interessierte Mensch ist täglich mit Berichten über den Israel-Palästina-Konflikt und mit Personen bzw. Gruppen konfrontiert, die einseitig pro Israel oder pro Palästina Stellung beziehen. Mir fällt auf, dass in den Publikationsorganen, die ich täglich lese bzw. höre (GT, FR, WDR, Deutschlandfunk, Tagesthemen und heute-Journal), wenig über den kontinuierlichen Dialog zwischen israelischen und palästinensischen Friedensgruppen berichtet wird. Ich selber erhalte von meiner Freundin Janina Altmann (Haifa) seit längerer Zeit ausführliche Berichte über diese Friedensaktivitäten. Dr. Janina Altmann, eine pensionierte Chemikerin, ist eine Überlebende des Holocaust. Sie wuchs im Ghetto von Lemberg auf, verlor ihre Familie und wurde schließlich von polnischen Widerstandkämpfern in Krakau gerettet. Nicht wissend, wohin sonst, ging sie nach dem Krieg nach Israel, studierte dort, heiratete und gründete eine Familie. Janina war es, die mir den Kontakt zu einer Gruppe um Dr. Reiner & Judith Bernstein (…) vermittelte. Diese Gruppe wendet sich folgender Frage zu: Wie können Israelis, Juden und Palästinenser in Mitteleuropa den in Israel und in Palästina schon eingeschlagenen Weg unterstützen, der im Ansatz von den Friedensgruppen in Nahost bereits existiert. Darüber debattierten z.B. Gruppen aus Deutschland, Österreich, Belgien und der Schweiz auf Einladung der „Jüdisch-Palästinensischen Dialoggruppe München“. Diese Informationen veranlassen mich zu dem Versuch, auch in Göttingen einen Dialog ins Leben zu rufen, um die einseitige und unvollständige Berichterstattung zu überwinden. Die in München existierende Dialoggruppe ist bereit, derartige Versuche zu unterstützen (zum Beispiel behilflich zu sein bei der Planung von öffentlichen Veranstaltungen). Ich wende mich mit diesem Versuch an mir bekannte Gruppen (Geschichtswerkstatt, Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Jüdische Gemeinde Göttingen, Buchladen Rote Straße, Arbeitsgemeinschaft Öffentlichkeitsarbeit gegen die Kriegspolitik) und befreundete Personen mit dem Ziel, dass sie alle das Ihre dazu beitragen, die in der Öffentlichkeit vorherrschende einseitige Betrachtungsweise aufzubrechen. <<
Den israelisch-palästinensischen Dialog hat Gerda Freise verwirklicht. Im Jahre 2006 rief sie mich an und bat mich am Abend in den Roten Buchladen nach Göttingen zu kommen. Ihre Freundin Janina Altmann aus Haifa war bei ihr zu Besuch und wollte über Israel, den Libanonkrieg und die gesellschaftspolitischen Implikationen sprechen. Gerda und Janina waren im gleichen Alter, sie gestalteten den Abend mit Vortrag und langer Diskussion. Dieser Abend war für mich ein Aufklärungsabend zur Nahostthematik, insbesondere der Politik Israels. Noch nie hatte ich eine solch umfassende und analytische Abrechnung mit der Israelpolitik gehört. Noch heute kann ich mich an alle Einzelheiten der Kritik erinnern. Die Argumentation war für alle politischen Parteien in Israel vernichtend. Tenor: Die gesamte politische Welt Israels muss von Grund auf erneuert werden. Gerda Freise moderierte den Abend und vertiefte die politische Debatte. Es war ein Vorläufer dessen, was wir heute bei PROTERRA Forum Democracy in Motion nennen. Vielleicht sollten wir Franzis Vorschlag aufgreifen und dieses Thema fortsetzen. Doch es wird schwer sein Betroffene wie Gerda und Janina zu finden, die so schonungslos aufklärerisch über Israel sprechen.
Klaus Windolph / Januar 2017